Die vorläufigen Daten des MTG-I1-Satelliten, des ersten einer neuen Generation von Wettersatelliten für eine noch bessere Beobachtung und Vorhersage schwerer Wetterereignisse, sind atemberaubend.
Sie stellen eine echte Revolution für die Wettervorhersage und das Nowcasting extremer und gefährlicher Wetterereignisse dar.
Last Updated
05 November 2024
Published on
11 September 2023
Im Rahmen der Kalibrierung und Validierung der unterschiedlichen Elemente des Satelliten und des Bodensegments wurden die von den beiden Hauptinstrumenten an Bord des MTG-I1, vom Flexible Combined Imager (FCI) und dem Lightning Imager (LI), erfassten Daten erstmals kombiniert, um den Synergieeffekt deutlich zu machen. Die erste Reihe von Animationen gibt uns einen Vorgeschmack auf das, was wir in Zukunft erwarten können.
„Diese Animationen zeigen, dass die Kombination der beiden Instrumente das Nowcasting und die Beobachtung schwerer Gewitterstürme revolutionieren wird“, erklärt Phil Evans, Generaldirektor von EUMETSAT. „Ich bin extrem beeindruckt und freue mich auf die innovativen Anwendungen, die sich aus diesen Daten ergeben werden, sobald das System in Betrieb ist.“
Die hochauflösenden sichtbaren und infraroten Kanäle des FCI ermöglichen die präzise Beobachtung und Charakterisierung von Wolken und Gewitterstürmen bei Tag und Nacht, während das LI-Instrument Blitzaktivität erkennt, ein Anzeichen für starke atmosphärische Turbulenz und Konvektion.
Sobald er voll einsatzbereit ist, wird der MTG-I1 es Meteorologen und Wissenschaftlern ermöglichen, extreme Wetterereignisse mit bisher nie dagewesener Genauigkeit zu überwachen. Die neuen, präziseren Daten werden außerdem noch genauere digitale Wettervorhersagemodelle ermöglichen und so die Zuverlässigkeit von Frühwarnungen vor extremen Wetterereignissen erhöhen, für einen besseren Schutz von Leben und Eigentum.
Kombinierte Beobachtung des Flexible Combined Imager (FCI) und Lightning Imager (LI) an Bord von MTG-I1, von 12.00 Uhr UTC am 03.06.2023 bis 12.00 Uhr UTC am 04.06.2023. Hierbei handelt es sich um vorläufige Inbetriebnahmedaten, die nicht zur praktischen Verwendung bestimmt sind. Die Blitzaktivität kann über die gesamte Erdscheibe beobachtet werden, am besten jedoch über Zentralafrika, dem nördlichen Teil von Südamerika, Europa und dem Nahen Osten. Wolken- und Blitzbewegungen sind synchronisiert und folgen den globalen Zirkulationsmustern (von Ost nach West entlang des Äquators und von West nach Ost in höheren Breiten). Der helle Bereich mit Sonnenreflexen, in dem das Sonnenlicht vom Ozean und kleinen Gewässern zum Satelliten reflektiert wird, zieht über den Tagesverlauf von Ost nach West.
Kombinierte Beobachtung des Flexible Combined Imager (FCI) und Lightning Imager (LI) an Bord von MTG-I1, von 12.00 Uhr UTC am 03.06.2023 bis 12.00 Uhr UTC am 04.06.2023. Hierbei handelt es sich um vorläufige Inbetriebnahmedaten, die nicht zur praktischen Verwendung bestimmt sind. Die Animation zeigt ausgedehnte Blitzaktivität über Südeuropa und dem Mittelmeer mit lokalen Gewittern. Außerdem sind über dem Mittelmeer umfangreiche und ausdauernde Sturmsysteme mit über die Nacht anhaltender Blitzaktivität zu sehen. Wie erwartet sieht man auch eine weiträumige Zunahme der Blitzaktivität über den Tag, die nach Sonnenuntergang nachlässt. Der nördliche Teil Europas ist überwiegend wolkenfrei. Dies ist auf die Dominanz eines umfangreichen und anhaltenden Hochdruckgebiets über den Zeitraum der Datensammlung zurückzuführen.
Kombinierte Beobachtung des Flexible Combined Imager (FCI) und Lightning Imager (LI) an Bord von MTG-I1, von 12.00 Uhr UTC am 03.06.2023 bis 12.00 Uhr UTC am 04.06.2023. Hierbei handelt es sich um vorläufige Inbetriebnahmedaten, die nicht zur praktischen Verwendung bestimmt sind. Diese Animation zeigt hochintensive Blitzaktivität über ausgedehnten Bereichen der zentralafrikanischen Region. Am Nachmittag kommt es zu lokalen Gewittern, die sich kurz nach Sonnenuntergang wieder auflösen, sofern sie sich nicht zu größeren Gewitterclustern, sogenannten mesoskaligen konvektiven Systemen, zusammenschließen, die sich über 1.000 km erstrecken und Tag und Nacht aktiv bleiben können. Der Großteil der Blitzaktivität in der Animation ist nördlich des Äquators zu beobachten, da sich der Hauptauslöser, die Innertropische Konvergenzzone (ITC), während des Sommers in der nördlichen Hemisphäre nach Norden verlagert.
Kombinierte Beobachtung des Flexible Combined Imager (FCI) und Lightning Imager (LI) an Bord von MTG-I1, von 12.00 Uhr UTC am 03.06.2023 bis 12.00 Uhr UTC am 04.06.2023. Hierbei handelt es sich um vorläufige Inbetriebnahmedaten, die nicht zur praktischen Verwendung bestimmt sind. Auch weit vom zentralen Sichtfeld der Kamera entfernt gibt es Erkennungen, beispielsweise am Rand der Scheibe über dem Amazonasregenwald. Diese Animation zeigt die Innertropische Konvergenzzone, in der sich Cluster von Tropengewittern langsam von Osten nach Westen bewegen. Wenn zwischen Juni und November die Gewässer warm genug sind, können sich einige der größeren Sturmcluster zu Wirbelstürmen ausbilden, die die Karibik und die östlichen USA betreffen. Die Animation zeigt auch deutlich, dass die meiste Blitzaktivität über Land und während der örtlichen Nachmittags- und Abendstunden auftritt.
„Die europäische Zusammenarbeit an den Satellitendaten ist von entscheidender Bedeutung für das SMHI, daher freuen wir uns sehr auf die praktischen Ergebnisse des MTG-I1. Wetterdienste sind in hohem Maße abhängig von den Daten, die die Wetterbeobachtung liefert, vor allem bei extremen und sich rasch entwickelnden Wetterereignissen. Diese Daten müssen präzise sein und in hoher Auflösung vorliegen, um lokale Phänomene zu erfassen. Das kann der MTG-I1 leisten“, erklärt Håkan Wirtén, Generaldirektor des SMHI.
Sturmtief Hans fegte kürzlich über Schweden, Dänemark, Estland, Finnland, Lettland, Lituauen und Norwegen hinweg und verursachte extreme Regenfälle, tödliche Erdrutsche und umfangreiche Überschwemmungen und gefährdete so das Leben und die Existenzgrundlage ganzer Regionen.
Die MTG-I1-Animation mit Sturmtief Hans zeigt, wie warme und feuchte Luft von Südeuropa auf die kühlere Luft in Skandinavien traf, was zu massiven Gewitterstürmen führte. Da der Strom an Energie und Feuchtigkeit anhielt, dauerte der Sturm mehrere Tage, mit starken Regenfällen und Winden.
Sturmtief Hans über Skandinavien – Vergleich zwischen dem SEVIRI-Instrument an Bord eines MSG-Satelliten und dem Flexible Combined Imager (FCI) an Bord von MTG-I1 – 07.08.2023 um 08.00 Uhr UTC - (Daten nicht zur praktischen Verwendung).
SEVIRI
FCI
Wolken mit Eispartikeln erscheinen in Cyan, während Wasserwolken in unterschiedliche Schattierungen von Weiß oder Hellrosa zu sehen sind. Die höhere Auflösung der FCI-Daten im Vergleich zum SEVIRI ist beeindruckend. Sie ermöglicht eine wesentlich bessere Beobachtung kleiner Wolkenstrukturen wie der kleinen Cumulus-Wolken über der Ostsee sowie der Eigenschaften an der Wolkenoberkante im Zusammenhang mit dem großen Sturmtief, das Schweden und Norwegen mit heftigen Regenfällen überzog. Ein einzelner Sturm über Finnland oben rechts im FCI-Bild zeigt gut den Farbton der Sturmoberseite über den darunter liegenden Wolken und eine sehr klar sichtbare Gewitterwolke mit klumpenförmigen überschießenden Spitzen darüber. Zudem ist auch die Auflösung der Details an Land außergewöhnlich. Kleine Inseln und Seen sind deutlich sichtbar.
Sturmtief Hans über Skandinavien, beobachtet vom Flexible Combined Imager (FCI) an Bord von MTG-I1 - vom 05.08.2023 um 14.00 Uhr bis 07.08.2023 um 08.00 Uhr (Daten nicht zur praktischen Verwendung).
Wolken sind in ihren natürlichen Weiß- und Grauschattierungen zu sehen, während Landmassen in Grün und in hoher Auflösung mit reichen Details dargestellt werden. Das Beeindruckendste in dieser Animation ist die Bewegung der Wolken im Zusammenhang mit der Bewegung der Polarfront über den europäischen Kontinent.
Die Topografie der Wolkenoberkanten sowie ihre Schatten sind dank der hohen Auflösung des FCI sehr gut sichtbar. Die kürzeren Wellenlängen, die der FCI für diese Animation nutzt, machen Aerosole in der Atmosphäre besser sichtbar, vor allem während der frühen Morgenstunden, in denen ein breiter wolkenfreier Bereich (aufgrund eines Hochdrucksystems) mit einer halbtransparenten Dunstschicht zu sehen ist. Ein aufmerksamer Blick über die Gewässer lässt die Farbunterschiede im Meer erkennen, vor allem um die Küsten. Diese können auf die unterschiedliche Wassertrübung oder erhöhte Konzentrationen von unterschiedlichen Algen oder Plankton zurückzuführen sein.
Sturmtief Hans über Skandinavien – „Sandwich“-Vergleich zwischen dem SEVIRI an Bord eines MSG-Satelliten und dem Flexible Combined Imager (FCI) an Bord von MTG-I1 – 07.08.2023 um 08.00 Uhr UTC - (Daten nicht zur praktischen Verwendung).
Diese Art der Visualisierung zeigt ganz deutlich den Unterschied in den Wolkentemperaturen: von Rot für die kälteren Teile bis Blau für die wärmeren. Das ist besonders hilfreich für die Beobachtung und das Nowcasting von Stürmen und schweren Wetterereignissen, da die verschiedenen Wolkenoberkanten deutlich zu sehen sind, die uns Informationen über die Dynamik des Sturms liefern. In diesem Vergleich sind die Vorteile der höheren räumlichen Auflösung der FCI-Daten vor allem in höheren Breiten sehr nützlich, wie hier über Nordeuropa zu sehen. Oberhalb des Sturms kann man in der rechten oberen Ecke des FCI-Bilds deutlich auch mindestens drei überschießende Spitzen mit kälteren (roten) Pixeln sehen. Im SEVIRI-Bild ist die Struktur der Sturmoberseite nicht so klar definiert. Dasselbe kann bei dem Sturm über der linken Hälfte des Bildes beobachtet werden: Die kältesten Spitzen sind im FCI klar zu erkennen, im SEVIRI-Bild aber undeutlicher.
Sturmtief Hans über Skandinavien, „Wolkenphasen-Animation“ des Flexible Combined Imager an Bord von MTG-I1 - vom 05.08.2023 um 14.00 Uhr bis 07.08.2023 um 08.00 Uhr (Daten nicht zur praktischen Verwendung).
Diese neue Art der Beobachtung, die mit dem SEVIRI-Instrument an Bord von MSG nicht möglich war, gibt Wetterdiensten Auskunft über die Zusammensetzung der Wolken: von flüssigen Wassertropfen (Gelb oder Magenta, je nach Größe der Tropfen) bis zu Eiskristallen (Blautöne). An den verschiedenen Blautönen lässt sich die Größe der Eispartikel im oberen Bereich der Wolke erkennen, was auf die Schwere des Sturms hindeutet. In dieser Animation kann man deutlich sehen, wie konvektive Wolken zum Grenzbereich des unteren Teils der Atmosphäre (der Tropopause) aufsteigen, wo die Temperaturen abfallen und sich die flüssigen Wassertropfen in Eiskristalle verwandeln.
Solche extremen Wetterereignisse dürften in Zukunft immer häufiger auftreten, je mehr sich das Erdklima verändert. Frei zugängliche, frühzeitig und in hoher Auflösung zur Verfügung stehende globale Erdbeobachtungsdaten wie diejenigen, die EUMETSAT Tag für Tag herausgibt, werden eine immer wichtigere Rolle spielen, wenn wir die Menschen erfolgreich vor diesen Risiken schützen wollen.
MTG-I1 ging am 13. Dezember 2022 an den Start. Er wird von EUMETSAT von der Zentrale in Darmstadt aus betrieben. Der Satellit wurde von der ESA zur Verfügung gestellt und erfüllt die von EUMETSAT in Absprache mit den Wetterdiensten der Mitgliedsstaaten festgelegten Anforderungen. Für die Entwicklung des Bildgebungsinstruments, des sogenannten Flexible Combined Imager, sowie dessen Integration in den MTG-I1-Satelliten, für den OHB (Deutschland) die Plattform lieferte, zeichnet das Unternehmen Thales Alenia Space (Frankreich) als MTG-Hauptauftragnehmer verantwortlich. Der Lightning Imager wurde von Leonardo (Italien) entwickelt.